Warum späte Blühzeiten für viele Arten überlebenswichtig sind
Während die meisten Sommerblüher im September ihre Blütezeit beendet haben, erreichen Goldrute (Solidago) und Fetthenne (Sedum) erst jetzt ihre Hauptblüte. Für verschiedene Wildbienenarten ist diese zeitliche Verschiebung entscheidend.
Die Verfügbarkeitslücke im Herbst
Viele Wildbienenarten sind im Spätsommer und Herbst noch aktiv. Einige Sandbienen-Arten (Andrena) bilden eine zweite Generation, die erst ab August schlüpft. Hummelvölker sind zum Teil auch noch aktiv. Die Efeu-Seidenbiene (Colletes hederae) beginnt ihre Flugzeit überhaupt erst Ende August.
Untersuchungen zeigen: Viele naturnahe Gärten bieten im Frühjahr und Frühsommer ein reichhaltiges Blütenangebot, weisen im Herbst aber erhebliche Lücken auf. Die Verfügbarkeit von Pollen und Nektar im Spätsommer und Herbst ist damit ein limitierender Faktor für verschiedene Wildbienenarten.
Goldrute: Ambivalente Bewertung
Die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) gilt als invasive Art und kann in naturnahen Biotopen problematisch werden. Im Garteneinsatz, wo eine Ausbreitung kontrolliert werden kann, stellt sie jedoch eine wichtige Herbstressource dar.
Wissenschaftliche Untersuchungen belegen: Goldruten werden von über 100 verschiedenen Insektenarten genutzt, darunter zahlreiche Wildbienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge. Die Blütezeit von August bis Oktober deckt genau die kritische Verfügbarkeitslücke ab.
Bei kontrolliertem Anbau (eingefasste Beete, regelmäßiges Entfernen von Ausläufern) oder durch Verwendung der heimischen Goldrute (Solidago virgaurea) lässt sich eine Ausbreitung weitgehend vermeiden.
Fetthenne: Späte Nektarquelle mit hoher Attraktivität
Die Hohe Fetthenne (Sedum telephium und Zuchtformen wie ‚Herbstfreude‘) blüht von August bis Oktober und wird von verschiedenen Wildbienenarten intensiv genutzt.
Eigene Beobachtungen zeigen regelmäßig: An blühenden Fetthennen finden sich Acker-Hummeln, Steinhummeln, verschiedene Sandbienen und diverse Schwebfliegen-Arten. Die lange Blühdauer und der hohe Nektarertrag machen die Art zu einer zuverlässigen Nahrungsquelle bis in den Oktober.
Weitere Vorteile: hohe Trockenheitstoleranz, geringer Pflegeaufwand, auch im Winter noch strukturgebend im Garten.
Wissenschaftliche Perspektive
Studien zur Bedeutung später Nektarquellen (Baude et al., 2016) zeigen: Die Verfügbarkeit von Pollen und Nektar im Spätsommer und Herbst ist ein limitierender Faktor für zahlreiche Bestäuberarten. Spätblühende Pflanzen wie Sedum und Solidago gehören zu den wichtigsten Ressourcen für Bestäuber im urbanen Raum – nicht wegen außergewöhnlicher Qualität, sondern wegen ihrer späten Blühzeit.
Eine britische Langzeitstudie (Baude et al., 2016) dokumentiert einen dramatischen Rückgang der Nektarverfügbarkeit in der Landschaft über mehrere Jahrzehnte, besonders ausgeprägt im Spätsommer und Herbst.
Praktische Empfehlungen
Kurzfristig (dieser Herbst):
- Bestehende Goldrute und Fetthenne vollständig ausblühen lassen
- Keine Rückschnitte, solange noch Insekten aktiv sind
- Beobachtung und Dokumentation der nutzenden Arten
Mittelfristig (Planung für nächstes Jahr):
- Pflanzung von Fetthennen im Frühjahr oder Herbst
- Bei Goldrute: kontrollierte Integration oder Verwendung heimischer Arten
- Gestaffelte Blühzeiten von Frühjahr bis Herbst sicherstellen
Späte Nektarquellen sind kein „nettes Extra“, sondern essenzielle Ressourcen für herbstaktive Wildbienenarten. Goldrute und Fetthenne erfüllen diese Funktion zuverlässig, wenn auch mit unterschiedlichen Voraussetzungen bezüglich Invasivität und Standortansprüchen.
Die Integration spätblühender Arten in Gärten und urbane Grünflächen ist eine konkrete Maßnahme zur Förderung von Wildbienen-Populationen im Herbst.
Quellen:
- Baude, M. et al. (2016): Historical nectar assessment reveals the fall and rise of floral resources in Britain. Nature 530: 85-88
- Zurbuchen, A. & Müller, A. (2012): Wildbienenschutz – von der Wissenschaft zur Praxis. Haupt Verlag, Bern
- Westrich, P. (2018): Die Wildbienen Deutschlands. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart
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